Wie die Firmenchronik manches Rätsel löst

Auch Grafiker bedienen sich hin und wieder der Firmengeschichte und Betriebschroniken, um Illustrationen oder Entwürfe für historische Modelle anzufertigen. Ein besonders schönes Beispiel dafür gibt uns der Berliner technische Illustrator Peter Erdmann. Er zeichnet viele Entwürfe für Maschinen, um deren Funktionalität darzustellen, etwa Mühlen oder Lokomotiven. Einmal gelang es ihm nur über die detaillierte Kenntnis der wechselvollen Werksgeschichte der Maschinenbauanstalt Humboldt in Köln, Quellen zu einer ganz bestimmten Maschine zu finden, die er beschreiben und zeichnen sollte.

Ein kleines Sammlermodell, eine Lokomotive, die gerüchteweise vor langer Zeit  beim Postbahnhof Köln in Verwendung gewesen sein soll, sollte entstehen. Doch es gab keinen konkreten Hinweis darauf und sogar Fachleute bezweifelten, dass diese besondere Maschine überhaupt existiert hat. "Aber", so Erdmann, "ein ehemaliger höherer Postbeamter - mein Partner für diese Modelleditionen - besitzt ein Foto davon, und es gelang ihm, Kontakt zu dem betreffenden Lokomotivführer herzustellen, der vor über 40 Jahren genau auf dieser Maschine fuhr." Nun sind wenigstens die Zweifler einmal überzeugt und die Arbeit kann in Angriff genommen werden. Aber das eine Foto reicht nicht, um Zeichnungen daraus abzuleiten. Da die Herstellerfirma schon lange erloschen ist, gibt es auch das Werksarchiv nicht mehr, alle Unterlagen sind in alle Winde verstreut. Die Firma, deren Name eine Ehrung des berühmten Naturforschers Humboldt war, stellte anfangs nur Landmaschinen, später auch Lokomotiven her. Der Firmenname deutet übrigens auf die Gründungszeit der Fabrik, denn zu Beginn des 19. Jahrhunderts war es üblich, Bergwerkszechen und Fabriken die Namen von Königen und anderen Adligen zu geben. In diesem Fall stand allerdings ausnahmsweise ein Gelehrter Pate.
Nun, das Werksarchiv existierte längst nicht mehr, aber vielleicht würden sich noch Firmenkataloge auftreiben lassen? Nach langen Internetsuchen in fast allen deutschen Bibliotheken und einigen wichtigen Archiven entdeckt Erdmann endlich einen Hinweis.
"Bibliotheek van de Nederlandse Vereniging van Belangstellenden in het Spoor- en Tramwegwezen, Utrecht" - hier könnte sich das Gesuchte finden. Drei Nächte lang befasst der Grafiker sich mit dem Niederländischen und schafft es, auf niederländisch einen höflichen Brief mit den richtigen Schlüsselwörtern nach Utrecht zu schreiben. "Nach einer Woche erhalte ich Dateien von kopierten Seiten aus zwei Humboldt-Katalogen. Sie enthalten aber nicht die gesuchte Lokomotive. Im Umkehrverfahren können mein Partner und ich jetzt aber leichter nach der richtigen suchen." In der Zwischenzeit hatte er auch eine Art gedruckte Firmenchronik in einem Berliner Archiv entdeckt und es gelingt seinem Partner daraufhin, eine Chronik zu den gesuchten Jahren in Köln aufzuspüren. Dort endlich ist ein deutliches Bild der Lokomotive enthalten. Erdmann beginnt die Arbeit an den entsprechenden technischen Illustrationen, die er nach drei Monaten abschließt. Das Endergebnis ist ein kostbares und einzigartiges Modell der alten Lokomotive, wie auf dem dankenswerter Weise von ihm zur Verfügung gestellten Bild oben zu sehen ist.
Gerade diese oft mühselige und schwierige Arbeit in Archiven und Firmenchroniken reizt Erdmann. "Wäre die Arbeit an dieser besonderen Seite von Technikgeschichte einfacher, würde ich sie vielleicht gar nicht ausüben", sagt er.

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